New Bombay/Navi Mumbai sowie
Hiranandani Gardens

Bericht über einen Tag in zwei „Vor-Städten des 21. Jahrhunderts“ in
Mumbai (18. Februar 2007)
(Dieser Tag war Teil einer dreiwöchigen Fachexkursion durch zehn indische
Städte, organisiert vom Institut für Städtebau der Deutschen Akademie für
Städtebau und Landesplanung)
Harald Kegler
New York ist nicht Amerika, doch ohne New York ist Amerika nicht zu
verstehen. Bombay ist nicht Indien, doch ohne Bombay hat man Indien nicht
gesehen. Bombay (Mumbai) ist eine Stadt der Moderne. Sie ist von „Geburt an“
eine künstliche Ansiedlung, dem Meer abgewonnen und immer wieder
modernisiert. Sie ist das Sinnbild des Subkontinents, dessen ökonomisches
Herz und zugleich eine Stadt der Superlative, ohne die typischen Merkmale
einer Global City im Erscheinungsbild aufzuweisen. Bombay ist nicht New
York. Doch Bombay möchte dies gern sein – überall hängen Plakate mit
Hochhäusern, die suggerieren, wie Bombay im Jahr 2050 aussehen wird: modern,
so wie jede andere Metropole dieser globalen Megacity-Community zwischen
Shanghai und Sao Paulo. Wir sprechen über Städte der Superlative, die wir in
Europa nicht haben und nicht haben werden: „Städte“, die über 20 Millionen
Einwohner zählen, deren BIP größer ist als das vieler europäischer Staaten
und die schier unaufhaltsam wachsen. Dennoch ist Bombay eine europäische
Groß-Stadt, vielleicht die europäischste Indiens überhaupt, die zugleich
„indianisiert“ wird. Zwischen Marine Drive und New Bombay spannt sich der
Bogen, der alle Elemente der Stadt- und Regionalentwicklung in der
Übergangsphase von der industriellen zur postindustriellen Entwicklung unter
den Bedingungen eines postkolonialen Landes aufweist: Laboratorium Bombay -
New Bombay.
Dieses Laboratorium ist Gegenstand der Tagestour vom Marine Drive an der
Westküste der Stadt bis zum neuen Entwicklungshorizont im Osten, den neuen
„urbanen“ Zonen, die die Kernstadt entlasten sollen und zugleich einen Weg
markieren mögen, den die indische, urbane Gesellschaft nehmen wird. Ein
atemberaubender Weg eröffnet sich, voller Widersprüche, Risiken und mit
einer unerhörten Dynamik. Wenn die Demografen Recht haben, dann wird
Bombay/New Bombay in der Mitte des 21. Jahrhunderts ca. 50 Millionen
Einwohner zählen – die Planungen deuten auch in diese Richtung. Dies wäre
dann wohl die weltgrößte Agglomeration, deren Dimensionen und damit
zusammenhängenden Fragen nach einer „Beherrschbarkeit“ einer solchen
„Menschenhäufung“ nicht mehr beantwortbar erscheinen. Hier entsteht eine
vollkommen neue Art gedrängten Daseins von Menschen, das bislang als Stadt
bezeichnet worden ist. Bei der Durchfahrt von West nach Ost passiert der
Betrachter jene Areale, die diesen zukünftigen Zustand von „Stadt“ ausmachen
dürften: dichte Bebauungen und immer wieder die Slums. Bombay/New Bombay ist
ein „Planet Slum“. Zwei krasse Welten treffen aufeinander, die in keinem
Planungslehrbuch auftauchen und die im Zukunftsplan für Bombay und für New
Bombay keinen Platz haben: „Mud“ …
Der Tag auf dem Weg in eine Zukunft: Sonntag, 18. Februar 2007
07.15 Uhr Wecken, Frühstück im Hotel – im Herzen des britischen Bombay am
Marine Drive
08.45 Uhr Abfahrt nach New Bombay (Navi Mumbai) mit der Aussicht, in einen
der täglichen Megastaus zu kommen – doch bleiben wir verschont – sonntags
sind die Strassen nur voll
10.00 Uhr Zwischenstopp im Hotel Supreme Heritage mit Einführung in die
Rundfahrt durch New Bombay – Rundfahrt durch das nördliche Gebiet mit der
SEZ (Special Economic Zone) und dem darin gelegenen Millenium Business
Park (in Mahape -1-, im Zentrum der industriellen Bandstadt zwischen
Thane Creek und Parsik Hill), einem Hochsicherheitstrakt der
wirtschaftlichen Entwicklung, eingebettet in ein chaotisches Meer von
Infrastrukturanlagen und sich ausbreitenden Slums
11.45 Uhr Aufstieg zum Parsik Hill -2- mit Blick auf Kharghar, ein
Teil des nordöstlichen Erweiterungsgebietes von N.B., wo heute noch ein Dorf
romantisches Dasein fristet, zukünftig ein Nobelviertel sein dürfte
15.15 Uhr Mittagessen wieder im Hotel
16.00 Uhr Vortrag von Vertretern der Development Company für N.B., CIDCO,
eines Planungs- und Entwicklungskonzerns
17.00 Uhr Fahrt durch den CBD nach Süden in das zukünftige industrielle
Entwicklungsgebiet mit dem neuen Hafen, dem JNPT, eine Fahrt ins „Nichts“,
das die Dimensionen und die Qualitäten der Infrastruktur von N.B. erspüren
ließ (insbesondere für die Businsassen auf den hinteren Bänken)
18.00 Uhr zurück auf der Westseite von Bombay, Besichtigung eines der neuen
Mittelstandsgebiete im urbanen, neotraditionellen Habitus, das in jüngster
Zeit entstanden ist und ein neues Kapitel urbaner Kultur aufschlägt – die
Konkurrenz zu N.B. (Hiranandani Gardens –3-), mit Stadtbummel und Besuch
einer Wohnung im Hochhaus „Tivoli“ im 26. Stockwerk
20.00 Uhr Rückfahrt zum Hotel, vorbei an der Wasserfront des Chowpatty
Beach, dem Tor zum Marine Drive und dem Nobelviertel Malabar Hill
21.30 Uhr Abendessen
23.15 Uhr Nachtruhe
Plan der Stationen des Tages:

Der Plan und die Wirklichkeit.
New Bombay ist ein typisches Planungsprodukt der Nachkriegsmoderne
europäischer Provenienz: Eine „Entlastungsstadt“ gegenüber der alten Stadt.
Ähnliches findet man in Belgrad und Novi Beograd, in Halle und
Halle-Neustadt, in Paris und Nantere, u.ä.m. Stets sollte nicht nur einem
wachstumsbedingten Bedarf gehorchend neuer Entwicklungsraum für die
existierende alte Stadt geschaffen werden, sondern zugleich auch ein
symbolischer Akt vollzogen werden: Es galt, eine „bessere“ Stadt als die
alte zu bauen. Diese sollte sich vor allem durch klare Rationalität in der
Funktionstrennung und der Autoorientierung sowie in der modernen Architektur
und Stadtkomposition auszeichnen. Dabei wurde oft das Ziel verfolgt, den
überkommenen Entwicklungspfad der Stadtentwicklung - meist an
Eisenbahnlinien oder Wasserkanten entlang - zu brechen und eine neue
Entwicklungsrichtung zu eröffnen. So auch in Bombay: Aus der
Nord-Süd-Orientierung sollte eine West-Ost-Richtung werden, die parallel zur
„alten“ Stadt eine völlig neue, zudem postkoloniale darstellen sollte.
Europäischer ging es aber nicht! Eigentliches Ziel war es, einen
Modernitätsbeweis des neuen Indiens anzutreten. Die jungen Planer Mehta,
Patel und Corea initiierten 1965 die Diskussion über eine neue Stadt
jenseits des Thane Creek. Die neue Stadt sollte als Bandstadt angelegt
werden, in deren Kern ein CBD lag. Zur Umsetzung wurde der staatliche
Planungskonzern CIDCO 1970 gegründet. CIDCO managet alles – von der
Stadtplanung bis zum Marketing für Büros und Wohnungen. Im Zentrum der
Aktivitäten aber stehen Infrastrukturprojekte und Bodenmanagement. Die
Struktur der Professionen widerspiegelt dies:
Planners & Architects : 042
Engineers : 450
Economists : 005
Marketing : 050
Estate Management : 050
Lands (Acquisition & Records): 050
Finance and Accounts : 005
Legal : 002
Computer programmers : 010
Total : 664 (von insgesamt 2.200 Mitarbeitern)
CIDCO fungiert als eine Art „Zwischenhändler“. Die Firma erzielt über
Planungsgewinne ihren Erlös, der z. T. an den Staat abgeführt wird, z. T.
selbst reinvestiert wird.
Die 1970 begonnene Planung teilte das Gebiet von New Bombay in
Entwicklungsareale ein, die sternförmig vom CBD ausstrahlen. Dabei sind die
Wohngebiete westlich und die Industriezonen östlich angeordnet, ganz im
funktionalen Sinne. Das Zentrum, der CBD, ist um ein Watlandsareal
gruppiert, das die Wassermassen des Monsuns aufnehmen soll. Das gesamte
Gebiet von New Bombay erstreckt sich in Nord-Süd-Richtung auf einer Strecke
von fast 40 km und in Ost-West-Ausdehnung von etwa 15 km. In der Struktur
wird die Bandstadt von „Alt“-Bombay gedoppelt. Den wirtschaftlichen
Schwerpunkt wird in Zukunft das Gebiet um den neuen Hafen im Süden
darstellen, der den alten von Bombay vollständig ersetzen wird. Der neue
Hafen soll dann durch eine Mega-Brücke mit dem alten Stadtgebiet von Bombay
verbunden werden, um die Nabelschnur, an der jetzt New Bombay hängt, zu
entlasten. Damit ist insgesamt auch der Weg dieser neuen Stadt
vorgezeichnet: Es wird nicht eine Lösung der Probleme sein, so steht zu
vermuten, sondern eine Verstärkung.
Die
Firmenansiedlungen in N. B.– „Arbeitslager“ der Zukunft …

Zudem werden bereits die nächsten Erweiterungen geplant: „Navi-Mumbai ++“ –
eine weitere Ausdehnung der Stadt nach Südosten und Nordosten … angebunden
durch jene Mega-Brücke!
War New Bombay für 2 Millionen Einwohner geplant, so dürfte sich die
Einwohnerzahl bereits verdoppelt haben und mit den neuen Erweiterungen
nochmals in die Höhe schrauben.
Plan für New Bombay (abschließender Planungsstand 1993)

Legende: gelb – Wohnen, lila – Industrie, orange – Hafen bzw.
Flughafen
blau – CBD, grün – Berge mit Bewaldung
Der ursprüngliche Plan dient heute nur noch als Orientierungsrahmen, der die
Ankervorhaben (neuer Hafen, neuer Flughafen, neue Erweiterungsgebiete,
Zentrum und Verkehrsanbindung) darstellt. Das soziale Anliegen der Planer
von 1965 ist – wie sie selber feststellen - faktisch gescheitert. Dafür
können drei Ursachen ausgemacht werden:
1. die neue Stadt wurde der „alten“ als Vorzugsgebiet gegenüber gestellt,
womit letztere abgewertet werden sollte, was aber der Realität widersprach –
die Aussicht, durch geringere Bodenpreise eine schnellere Entwicklung
vornehmen zu können, gelang nur anfangs;
2. die neue Stadt wurde vornehmlich als Wirtschaftsraum geplant und
entwickelt, die anderen Funktionen (insbes. Wohnen) waren daraus abgeleitet,
was erschwerend für die Ausprägung einer eigenständigen Identität wirkte –
es blieb bei dem Charakter als „New“ Bombay, also der kleineren Schwester,
die zudem nur als Katalysator der industriellen Modernisierung fungiert;
3. die ökonomische Bindung der Bewohner, insbes. der Slumbewohner, aber auch
vieler Mittelständler ist an „alt“ Bombay geknüpft, eine Umsiedlung
bedeutete für diese Schichten einen enormen Verlust, lediglich diejenigen,
die als Bauarbeiter oder Dienstleister der neuen Industrien nach Bombay
kamen, siedelten sich gleich in New Bombay an.
Mit dem Bau der neuen Stadt sollte auch, so eines der Planungsziele, die
Lösung der Slumfrage in „Alt“-Bombay betrieben werden:
„In den 1970er Jahren nahmen die städtischen und staatlichen Behörden ein
äußerst ambitioniertes Projekt zum Bau einer modernen Zwillingsstadt auf dem
Festland gegenüber von Bombay in Angriff. Den städtischen Armen wurden neue
Wohnungen und Arbeitsplätze im funkelnden New Bombay (heute Navi-Mumbai)
versprochen, aber tatsächlich wurden die Festlandsbewohner umgesiedelt, und
sie verloren Land und Lebensgrundlagen, während der größte Teil des neuen
Wohnungsbestands an Beamte und die Mittelklasse ging.“ (Davis, S. 71) In „Alt“-Bombay
blieben die Verhältnisse unverändert, im Gegenteil, die Slumgebiete wuchsen
in den Jahren des Baus von New Bombay in noch schnellerem Maße. Zugleich
wuchsen neue Slums in den neuen Stadtteilen von New Bombay. Das „Spiel“ der
Besiedlung begann dem der alten Metropole zu gleichen. Die Frage der
Unterbringung der Hälfte der Bewohner Bombays – 48,9 % wohnen in Slums (Mumbai
Report, S. 10) – kommt in den Darstellungen von CIDCO, des quasi-staatlichen
Developers, nicht vor. So gibt es prinzipiell keine erkennbaren
Lösungsstrategien für die „Begleiterscheinung“ des wirtschaftlichen
Wachstums. Es wird, so scheint es, zwar zur Kenntnis genommen, aber nicht
als Gegenstand ernsthafter Planung in Angriff genommen, zumindest nicht in
dem Maße, wie die wirtschaftliche Entwicklung vorangetrieben wird.
Die
andere Zukunft von New Bombay …
Den Hauptteil der Entwicklungsarbeit konzentriert das Unternehmen auf die
SEZ, die Special Economic Zone, eine nach chinesischem Modell entwickelte
Strategie. Die drei großen SEZ in New Bombay stellen das Rückgrad für die
neue Stadt dar. Sie bilden den eigentlichen Zweck von New Bombay. Hat sich
anfänglich noch die neue Stadt als Entlastung des Entwicklungsdrucks der
alten Stadt gesehen, so ist die neue Stadt nunmehr zu einer
„Freihandelszone“ geworden – bzw. auf dem Weg dahin. Die städtebauliche
Struktur ist in einem Konglomerat von Baulichkeiten aufgegangen, das kaum
noch Konturen aufweist, additiv und fragmentiert wirkt. Das Zentrum, der CBD,
hat nichts mit einem Stadtzentrum zu tun, der irgendwelche urbanen
Qualitäten aufweist. Business ist alles … Die Hochglanzbroschüre von CIDCO
suggeriert „We make Places“, aber es entstehen alles andere als „Orte“ – es
werden austauschbare Infrastrukturen und Wohnkomplexe, die in das Bild der
globalen Beliebigkeit von Metropolen in den „Schwellenländern“ nahtlos
eingefügt werden können, errichtet. Für New Bombay wird das Leitbild: „Super
City of the World” propagiert.

Dies widerspiegelt sich auch in der geplanten Zusammensetzung der
Einkommensgruppen in den Wohnbereichen:
(Low-Income, Middle-Income, High-Income als die drei sozialen Kategorien,
nach denen die Stadtgesellschaft von N. B. gegliedert wird – soweit sie sich
eine Wohnung leisten können - ohne die Oberschichten)
|
Navi
Mumbai |
New Towns |
Total |
EWS / LIG
|
51,627(47%) |
48,250
|
99,877
(61%) |
MIG |
33,051(30%) |
4,560 |
37,611
(23%) |
HIG |
25,491(23%) |
1,014 |
26,505 (16%) |
Total
|
110,169(100%) |
53,824 |
163,993
(100%) |
Diese quantitative Darstellung erklärt nicht den wirklichen sozialen Status,
der mit diesen drei Kategorien umrissen wird – die Slums am Wegesrand kommen
nicht vor.
Das
Bild von New Bombay …
Insgesamt nimmt New Bombay den Charakter einer “Technocity” an: Eine
vorstädtischen „Arbeitersiedlung“ um die high-tech-Industrie des 21.
Jahrhunderts. Die neuen „kreativen Klasen“ aber fragen andere urbane Areale
nach, in denen sie eine Durchdringung von kreativer Arbeit, Wohnen und
Alltag sowie Freizeit in Nähe der Zentren realisieren können. International
zeichnen sich vergleichbare Trends ab, die unter dem Label der „Urban
Renaissance“ firmieren – Bombay ist auf der Höhe der Zeit.

Die Rückkehr in die „alte“ Stadt markiert ein neues Wohngebiet am Powai
Lake, Hiranandani Gardens, geradezu symbolisch gegenüber dem Hotel
„Renaissance“ und in Sichtweite vom berühmten Bollywood gelegen. Der erste
Eindruck beim Erreichen des großen Wohngebietes überrascht, hebt sich dieses
Gebiet doch von dem Konglomerat der neuen Stadt jenseits der Bucht ab. In
einer neotraditionellen Formensprache gehalten zeichnet sich das gesamte
Areal durch einen hohen Grad an Urbanität aus. Alles ist fußläufig
erreichbar, es gibt breite Bürgersteige – in New Bombay gibt es so gut wie
keine, es gibt eine klare Struktur der Straßenquerschnitte mit Dichte und
hoher Qualität in der Ausstattung – dazu die, nicht für die Öffentlichkeit
zugänglichen, aber einsehbaren, Wohngärten um die Wohnhochhäuser. Lediglich
eine Buslinie verbindet den Stadtteil mit dem Zentrum – ein Umstand, der
bemängelt wird. Die Hauptstrasse ist jeweils mit einem Point de vue – einer
Säule oder einem markanten Bauwerk gefasst. Bombastisch, aber auch urban
wird der Eingang in das Shoppingcenter markiert.

In dem Gebiet haben sich zahlreiche internationale Firmen mit ihren
Niederlassungen angesiedelt und viele der Softwareschmieden und Callcenters
sind ebenfalls hier. Die „kreative Klasse“ sucht die Urbanität und kehrt –
in Ansätzen - New Bombay den Rücken. Das gesamt Areal ist Privateigentum und
wird von Sicherheitsdiensten beaufsichtigt. Dennoch ist es keine „Gated
Community“. Die Häuser verfügen über normale Concierges und sind nur für die
Bewohner zugänglich. Die Strassen machen einen ausgesprochen sauberen
Eindruck und laden zum Flanieren ein, sofern der Straßenlärm – für unsere
Ohren - so etwas in Bombay überhaupt zulässt. Hier wohnen die oberen
Mittelschichten, wie die Begleiterin der Gruppe, eine Architektin mit
eigenem Büro. Diese 100 qm große Wohnung kostet 200.000 Euro (20% sind als
Anzahlung notwendig).

Der Developer hatte das Areal vor 50 Jahren zu einem Spottpreis von
umgerechnet 1 Euro/qm erworben (heute sind die Preise auf bis zu 2.000
Euro/qm gestiegen). Vor 20 Jahren geplant, wird das Areal (zunächst 200 Acre)
seit 10 Jahren als urbanes Wohn- und Geschäftsgebiet mit Büros, Hotel,
Krankenhaus, Cafes, Einkaufszentrum und Schule - alles privat - entwickelt
und vermarktet sich sehr gut. Inzwischen baut das Unternehmen in anderen
Teilen Indiens Gebiete nach dem gleichen Modell.
Aus dem 26. Stockwerk der großen 4-Raum-Wohnung erscheint Bombay als eine
Gegen-Welt zur der in New Bombay – tatsächlich urban und für die oberen
Schichten anziehend – und dennoch unwirklich.
Versuch eines Fazits und eines Szenarios
„Bei Indien darf man nie vergessen: Für jede einzelne Erkenntnis, zu der man
über dieses riesige und komplizierte Land kommt, kann immer auch das genaue
Gegenteil zutreffen“ (Joan Robinson)
Sicher verbietet ein so flüchtiger Blick aus dem fahrenden Bus auf ein so
komplexes und kaum überschaubares Entwicklungsgebiet wie New Bombay eine
schnelle Bewertung. Und sicher wäre auch die Planungsgeschichte von New
Bombay im Kontext der Entwicklungstrends in vergleichbaren Städten der Welt
und dem Einfluss europäischer Stadtplanung gründlicher zu erörtern gewesen –
und aus verschiedenen Blickwinkeln, doch kann auch eine Hypothesen zur
Zukunft einer Megacity wie Bombay/Mumbai gewagt werden: New Bombay wird der
quasi-urbane, industrielle „Hinterhof“ einer erstarkten „alten“ Stadt
Bombay, die sich ihres kolonialen Erbes wieder zuwendet und neue
Mittelschichten sowie Unternehmen in das Gebiet des historischen Zentrums
und der erneuerten nördlichen Gebiete zieht. Der Marine Drive wird zur
internationalen Wasserfront mit neuer Ausstrahlung – ähnliches vollzieht und
vollzog sich ja an den vergleichbaren Wasserfronten von Metropolen wie der
Copacabana in Rio, in Tel Aviv oder – in Ansätzen - dem Malecon in Havanna.
Wenn das alte Hafengebiet an der Ostseite der Halbinsel von Bombay ebenfalls
neu gestaltet worden ist, dürfte Bombay Down Town eine Renaissance erfahren
– mit allen Widersprüchen, die absehbar sind. Dies wiederum wird New Bombay
zusätzliche Schwierigkeiten bereiten – Hafen und Flughafen bringen allein
keine neue Urbanität und keine zahlungskräftigen Schichten. Die Orientierung
auf die Infrastrukturentwicklung birgt für New Bombay die Gefahr einer
weiteren Ent-Profilierung, werden doch die erfolgreichen Unternehmen nach „Alt“-Bombay
ziehen. Zugleich wird sich der Slumgürtel von New Bombay stabilisieren und
vergrößern. Es steht zu befürchten, dass – wenn überhaupt eine Sanierung der
Slums erfolgt - dann in „Alt-Bombay. Die Verkehrsprobleme werden sich
ebenfalls verstärken, da die gigantische Brücke erst in 10 Jahren zur
Verfügung stehen dürfte – bis dahin werden aber die Weichen bei den
Standortentscheidungen für Alt-Bombay gestellt sein, da das derzeitig
Nadelöhr einen wachsenden Verkehr kaum problemlos aufnehmen kann. Die
Bauarbeiten an der Brücke über die Bucht von Mahim Bay deuten in die
Richtung, dass ein Schwerpunkt der Stadtentwicklung auf „Alt“-Bombay und
dessen Norden gelegt werden dürfte. New Bombay wird eine „normale“ Edge-City
der verschiedenen Infrastrukturcluster werden, die als suburbane
Business-City mit Wohnanteilen und Slumsaum in eine ungewisse Zukunft
driften. Damit könnte der neuen Stadt ein ähnliches Schicksal bevor stehen,
wie es auch in anderen Zwillingsstädten zu verzeichnen ist: sie werden „städte
zweiter Wahl“. Welche Strategien für ein ganzheitliches Bombay entwickelt
werden, kann nur vermutet werden, wenn als Zielmarken für die
Stadtentwicklung durch die Regierung die erfolgreichen Städte Cleveland in
den USA (Vorzeigestadt für den Umbau einer alten Industriestadt) und
Shanghai (Modell einer Boomtown) ausgegeben werden. (Mumbai Reader, S. 14
ff) New Bombay ist weit von beiden entfernt.

Die „kreative Klasse“ hat sich entschieden – nächtliche Straßenszene in
Hiranandani Gardens.
Literatur
Urban Design Reserch Institute (2006): Mumbai Repprt
Müller, H. (2006): Weltmacht Indien, Frankfurt/M.
Davis, M. (2007): Planet Slum, Berlin
Kamdar, M. (2007): Planet India, New York
Joan Robinson, zit. in: Vir Sanghivi (2007): Indien heute, in: National
Geographic „Mythos Indien, S. 20
Fotos: Harald Kegler
Pläne: CIDCO
Die Teilnehmer der Fachexkursion:

Hilflose Suche nach der Urbanität – Blick auf New Bombay

Finden neuer Urbanität – mit Hilfe der neuen Mittelschichten …
|