"Regionalpark Mitteldeutschland" - ein Konzept

Dr. Harald Kegler


Im Oktober 2001 hat das Forum Mitteldeutschland die Akteure der Region zwischen Leipzig, Halle und Dessau aufgerufen, zur vierten Zukunftskonferenz ihre Ideen, Vorstellungen von Bildungspolitik im Regionalisierungsprozess zu erörtern. Dieses bemerkenswerte Ereignis lenkt die Aufmerksamkeit auf eine der dynamischsten, kulturell reichhaltigsten, aber auch sozial problematischsten Regionen in Deutschland. Die alle zwei Jahre stattfindende Konferenz setzt Marksteine für die öffentliche Debatte um die Zukunft der Region auf wirtschaftlichem, sozial-kulturellen, bildungs- und umweltpolitischem Gebiet, und zwar über die Grenzen der Länder hinweg, die in den zwanziger Jahren den damaligen Mitteldeutschen Industriebezirk ausmachten: Teile des heutigen Sachen-Anhalt, Sachsen und Thüringen. Es ist ein nicht alltägliches Ereignis, wenn sich Vertreter aus Politik, Wirtschaft, sozialen und ökologischen Verbänden, der Bildungsinstitutionen und schlicht Bürgern der Region zusammenfinden, um gemeinsam über ihre Perspektiven nachzudenken und praktische Schritte zu beraten.

Hervorgegangen ist diese Zukunftskonferenz aus den Regionalkonferenzen1995 und 1996, auf der das Regionale Entwicklungskonzept für den Raum Halle-Leipzig-Dessau beschlossen worden war. Grundlage dafür war die Zusammenarbeit in der gemeinsamen Raumordnungskommission der Länder Sachsen und Sachsen-Anhalt seit Beginn der 90er Jahre. Zahlreiche Investitionen in der Chemieindustrie, im Energiesektor oder bei Infrastrukturprojekten und der Gestaltung von Landschaften nach der Braunkohle belegen die Intensität der Arbeit in diesem Zeitraum. Das jüngste Kind dieser Kooperation ist der Verkehrsverbund Mitteldeutschland im Raum Halle-Leipzig.

Nun gilt es neben dem Ausbau der regionsinternen Kooperation auf dem Bildungssektor neue Horizonte anzusteuern. War bei der letzten Zukunftskonferenz bereits der Vorschlag einer Europäischen Akademie der Regionen unterbreitet worden, gewissermaßen als erstem Zeichen auf diesem Weg, so gewinnt nun der räumliche Bezug für neue Entwicklungsperspektiven in einem ostdeutschen Netzwerk von Einzelregionen diesen Vorschlag einzubinden: einen REGIONALPARK MITTELDEUTSCHLAND. Dieser setzt die Bemühungen um die Europäisierung der Entwicklungspolitik der letzten Jahre fort, bündelt sie und formiert eine neue Dimension: der Regionalpark als Korridor der Zukunft zwischen Halle-Leipzig und Berlin-Potsdam. Mit seiner Dimension von etwa 160 mal 60 Kilometern und gut 2 Millionen Einwohnern kann diese Region europäische Maßstäbe erhalten, kann wahrgenommen werden und reiht sich ein in das Spektrum vergleichbarer Regionen in Deutschland, wie die Metropolregion Hamburg oder das Ruhrgebiet. Allein diese quantitative Erweiterung erscheint als wichtiger Meilenstein auf dem Wege einer Europäisierung. Doch wichtiger ist die qualitative Seite. Der Regionalpark schlägt die Brücke zur europäischen Metropole Berlin, verbindet eine Vielzahl von interessanten und innovativen Teil-Räumen, die allein im europäischen Maßstab nicht ausreichend wahrnehmungsfähig sind und erhöht die wirtschaftliche Ausstrahlungskraft. Der Regionalpark stellt einen Wirtschafts- und Kulturraum dar, der die Kleinteiligkeit der Strukturen in Ostdeutschland zu überwinden vermag und zugleich das Prinzip der Nachhaltigkeit durch einen angemessenen räumlichen Zuschnitt in einem für alle Akteure produktiven Maße realisierbar werden lässt.

Der Regionalpark Mitteldeutschland entsteht natürlich nicht durch dessen einmalige Verkündung. Es bedarf vielmehr der längerfristigen Debatte, des Kreierens neuer Zukunftsprojekte und der Entwicklung neuer kooperativer Strukturen, die nunmehr vier Länder berühren. Doch gerade darin liegt eine neue, große Herausforderung der mitteldeutschen Region auf dem Wege nach Europa.

Dieser Regionalpark setzt die Intentionen des Wettbewerbs "Regionen der Zukunft" aus den letzten Jahren fort und sucht zugleich nach neuen Möglichkeiten, einen Beitrag zu leisten gegen die sich verbreitende Position, der "Osten steht auf der Kippe". Mögen auch die Untersuchungen solchen Haltungen Recht geben - so sind doch neue Wege einer kreativen Regionalentwicklung gefragt. Nicht, weil schön geredet werden soll, was an realen Problemen herrscht, sondern, weil animiert werden soll, über neue Dimensionen nachzudenken, über neue Netzwerke und gegen die Kleinstaaterei - ohne Infragestellung von Ländergrenzen.

Die Fortführung des Prozesse "Regionen der Zukunft" durch ein gezieltes Regional-Coaching, betreut vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, ermöglicht auch hierfür eine Stärkung und Bündelung der Kräfte, die gerade die neuen Bundesländer dringend benötigen. Die Debatte ist eröffnet.

 

 

 

 

 

 

Regionalparks in Europa

Planungsgeschichte 1925-1932