Harald Bodenschatz
02.03.2008
Meine Aufgabe ist es, die Ergebnisse des Verfahrens der in Sundern im Sommer 2007 durchgeführten Charrette aus einer wissenschaftlichen Perspektive zu beleuchten. Mein Bezug zu diesem Themenfeld ist ein doppelter: Ich habe mich zum einen mit internationalen Modellbeispielen des Stadtumbaus auseinandergesetzt, etwa mit Barcelona, Birmingham, Genua, London, Manchester, Turin und natürlich Berlin. Zum anderen habe ich mich mit dem Umbau von historischen Zentren kleiner Städten beschäftigt – im Rahmen meiner Aktivitäten zur Stadterneuerung vor allem in Mittelfranken – etwa in Ellingen, Merkendorf, Roßtal, Wendelstein, Wilhermsdorf und Wolframs-Eschenbach. Dort hat unser Planungsbüro Gruppe DASS Konzepte der Revitalisierung von historischen Zentren in vielen kleinen Städten und Marktgemeinden erarbeitet. Diese doppelte Erfahrung erlaubt mir, Gemeinsamkeiten wie Besonderheiten von großen und kleinen Städten zu diskutieren. Ich möchte im Folgenden drei Themenfelder ansprechen:
1. den wirtschaftlichen und sozialen Strukturwandel, also vor allem den Abschied von der Industriegesellschaft,
2. die Merkmale einer erfolgreichen Stadtentwicklungspolitik im Kontext des Abschieds von der Industriegesellschaft und schließlich
3. eine Bewertung der mit der Charrette bestätigten und fortgeführten Stadtentwicklungspolitik von Sundern vor dem Hintergrund eines Ranking-Verfahrens.
1. Abschied von der Industriegesellschaft
Die Städte sind heute einem tief greifenden wirtschaftlichen und sozialen Wandel ausgesetzt. Sie stehen vor neuen, gewaltigen Herausforderungen. Die Globalisierung erfasst mehr und mehr alle Winkel unserer Erde. Und dass in Deutschland die Gesellschaft altert, hat sich längst herumgesprochen. Dazu kommen der Bedeutungsverlust der Familie und die Zunahme der Einpersonenhaushalte, aber auch neue soziale Spaltungen. Um die Ressourcen der öffentlichen Hand steht es längst nicht mehr so gut wie früher, und nicht mehr viele Städte wachsen, viele stagnieren oder schrumpfen. Von allergrößtem Gewicht ist der Bedeutungsverlust der Industrie für unsere Städte, der Abschied von der Industriegesellschaft. Viele Arbeitsplätze werden gestrichen, noch viele werden gestrichen werden – ein Phänomen, das die Städte in ganz unterschiedlichem Tempo und zu unterschiedlichen Zeiten ereilt.
Abschied von der Industriegesellschaft heißt aber viel mehr als nur Wegbrechen von industriellen Arbeitsplätzen. Er bedeutet auch, dass wichtige Merkmale, die unser Leben geprägt haben, an Bedeutung verlieren: etwa relativ kurze Ausbildungszeiten, klar definierte Lebensstile bestimmter Altersgruppen, stabile Arbeitsplätze, ein bestimmter Tagesrhythmus, ein bestimmter Jahresrhythmus, eine feste Verortung in politischen und sozialen Institutionen, feste persönliche Bindungen. Anders als früher sind heute auch relative stabile Einnahmequellen der öffentlichen Hand nicht mehr vorhanden, und – das ist sicher einer der folgenreichsten Veränderungen: Die Zeit niedriger Energiepreise ist endgültig vorbei. Mit anderen Worten: Viele uns vertraut, ja lieb gewonnenen Merkmale der mitteleuropäischen Industriegesellschaften der Nachkriegszeit sind im Verschwinden begriffen.
Der Abschied von der Industriegesellschaft betrifft große, mittlere und kleine Städte. Er begann schon sehr früh in den Städten Englands, etwa in Manchester und Leeds, er ergriff auch so berühmte Städte wie Barcelona, Genua und Turin, er suchte das Ruhrgebiet heim, und er überrollte alle Städte Ostdeutschlands nach dem Fall der Mauer. Und er geht auch an Sundern nicht vorbei. Der Abschied von der Industriegesellschaft in Deutschland ist ein unausweichlicher Trend.
Die Zukunft hängt aber nicht nur von Trends ab, sondern auch von unserer Fähigkeit, angesichts absehbarer Trends Politik zu machen. Wir brauchen also politische Führung, und zwar über einen längeren Zeitraum, eine Führung, die das Thema Stadtentwicklungspolitik möglichst aus der parteipolitischen Konkurrenz heraushält, die klare Ziele hat, konkrete Projekte auf den Weg bringt und die Zusammenarbeit mit anderen Akteuren sucht, eine Führung, die den Abschied von der Stadt der Industriegesellschaft strategisch begleitet und sozial abfedert. Zugespitzt gesagt, bedarf es heute einer sehr gut beratenen politischen Führung, die entschlossen ist, ihre wenigen Instrumente zu nutzen, und es bedarf einer engagierten Verwaltung, die ihre politische Führung unterstützt. Alle erfolgreichen Modellstädte in Europa und Nordamerika unterstreichen diese Aussage. Eine entschlossene politische Führung ist noch keine Garantie für einen Erfolg im nationalen wie internationalen Wettbewerb, aber umgekehrt gilt: Ohne politische Führung ist der Nicht-Erfolg garantiert.
2. Merkmale einer erfolgreichen Stadtentwicklungspolitik im Strukturwandel
Mit Blick auf vorliegende Erfahrungen auch internationaler Modellstädte lassen sich einige strategische Leitlinien formulieren, die sich als Merkmale einer erfolgreichen Stadtentwicklungspolitik erwiesen haben.
Leitlinie 1: Konzentration der städtebaulichen Projekte auf das Zentrum
Wenn man die viel diskutierten positiven Modellstädte des postindustriellen Städtebaus betrachtet, so fällt zuallererst auf, dass dort vor allem das Zentrum der Stadt umgebaut wird. Es ist das Zentrum, das die Städte nach innen wie außen repräsentiert. Die Bilder des Zentrums dienen als werbende Botschafter der Städtekonkurrenz. Nur das Zentrum kann diese Rolle übernehmen. Es ist einzigartig und symbolisiert das Besondere der jeweiligen Stadt, ihre Geschichte, ihre baulichen Höhepunkte, ihre wichtigsten Institutionen. Vor allem historische bauliche und städtebauliche Zeugnisse erlangen neue Bedeutung – als Haltpunkte im Wirbel des Wandels, aber auch als Unterscheidungsmerkmal in einer oft profillosen Siedlungslandschaft. Sie sichern Heimat und dienen als Orte des Willkommens für Fremde. Lange Zeit haben viele gedacht, in der Informationsgesellschaft verliere das Zentrum an Bedeutung. Das war aber ein Irrtum. Denn ein attraktives Zentrum kann die besten Standorte für den Dienstleistungssektor bieten, und nur ein attraktives Zentrum kann die hochmobilen urbanen Mittelschichten langfristig an eine Stadt binden.
Beispiele für die explizite Konzentration der städtebaulichen Anstrengungen auf das Zentrum finden wir in allen Großstädten, die als Erfolgsmodell aktuellen Städtebaus gelten – etwa in London und Berlin. Aber auch in vielen erfolgreichen kleinen Städten und Gemeinden ist eine Konzentration der Anstrengungen auf das Zentrum zu beobachten. Ziel ist es dort, die gestalterische Qualität zu verbessern und neue Nutzungen in das Zentrum zu holen – etwa hochwertigen Einzelhandel, attraktive Wohnungen, Angebote für unterschiedliche Altersgruppen. Konzentration auf das Zentrum heißt aber nicht: die anderen Teile der Stadtregion vergessen. Das Zentrum muss als Teil der Stadtregion begriffen werden, um seine Rolle überhaupt spielen zu können. Seine Vernetzung mit den anderen Teilen der Stadtregion muss gesichert werden – und zwar nicht nur durch den Autoverkehr, sondern auch durch öffentlichen Verkehr.
Leitlinie 2: Orientierung auf eine bunte soziale Mischung – einschließlich neuer Mittelschichten
Jede Stadt steht – wenngleich mit sehr unterschiedlichen Ausgangsbedingungen – vor der Aufgabe, die Transformation einer Stadt der Industriegesellschaft in eine postindustrielle Stadt treibhausmäßig zu fördern. Es geht um das Ringen um neue wirtschaftliche Grundlagen für die postindustrielle Stadt der Zukunft. Im Wettbewerb der Städte muss vor allem ein Klima geschaffen werden, das „urbane“ Mittelschichten anzieht. Ohne die Rückkehr der Mittelschichten in die Zentren ist eine Revitalisierung undenkbar. Das gilt keineswegs nur für die Großstädte. Gerade die kleinen und mittleren Städte sind oft vom Wegzug der gut ausgebildeten, mobilen Schichten betroffen. Es ist wichtig, diese Menschen in der Stadt zu halten. Die Orientierung auf neue Mittelschichten muss von einer Politik der Meisterung ethnischer Vielfalt begleitet werden. Das ist ein Schlüsselthema für die Zukunft der Städte. Der öffentliche Raum wird zu einem Angelpunkt der kulturellen und sozialen Integration.
Leitlinie 3: Neue Wertschätzung des Urban Design
Urban Design, Städtebau, ist ein Schlüsselbegriff der Politik der Revitalisierung der Zentren. Attraktivierung des Zentrums heißt in erster Linie: städtebauliche Attraktivierung. Die wichtigsten Projekte betreffen die Wiedergewinnung oder Neuanlage von öffentlichen Räumen zugunsten der Fußgänger. Der öffentliche Raum wird zum Gegenstand aufwendiger Gestaltung. Von Bedeutung sind auch die Bauten, die die öffentlichen Räume prägen. Viele historische Gebäude werden erhalten, umgenutzt und neu inszeniert. Die Erlebbarkeit von baulicher Geschichte ist eines der wertvollsten Vorteile des Zentrums und ein Alleinstellungsmerkmal.
Leitlinie 4: Schaffung von attraktivem Wohnraum im Zentrum
Nicht nur die Raumordnungs- und Wohnungsprognose des Bundes zeigt, dass wir uns in einer entscheidenden Phase befinden: Die nächsten Jahre sind äußerst wichtig, ob es uns gelingt, Wohnen im Zentrum auch für diejenigen Schichten attraktiv zu machen, die aufgrund Ihrer finanziellen Mittel große Wahlmöglichkeiten haben, Wahlmöglichkeiten insbesondere zwischen dem Wohnen im Zentrum oder im Umland der Stadt. Dies betrifft nicht nur den Neubau von Wohnungen, sondern vor allem auch die Modernisierung von Altbauten. Die Politik sollte klarstellen, dass sie das Wohnen im Zentrum unterstützt. Der Wettbewerb der Städte betrifft vor allem auch junge, gut ausgebildete kreative Menschen. Um in diesem Wettbewerb mithalten zu können, bedarf es eines entsprechenden Wohnungsangebots.
Leitlinie 5: Nutzung der Chancen von großen Events
Eine große Chance für jede Stadt bieten Events – Jahresfeiern der Stadt selbst und andere besondere Ereignisse. Erinnert sei nur an die Chancen der Olympischen Spiele, die München und Barcelona mit Erfolg genutzt haben und die London in Zukunft nutzen will. Barcelona, Genua, Manchester und Turin sind berühmte Städte, die es verstanden haben, ihre Politik der Stadtentwicklung mit großen Events so geschickt zu verknüpfen, dass diese Events der Stadt außerordentlich viel Ressourcen zugunsten der Zentren gebracht haben. Aber auch kleine und mittlere Städte können von solchen Events partizipieren – etwa von MittdenDrin, einer Event-Initiative des Landes Nordrhein-Westfalen, aber auch von den Regionalen und vor allem von dem Mega-Ereignis Kulturhauptstadt Europas, das Essen mit dem Ruhrgebiet zusammen durchführen wird. Solche Ereignisse sind Chancen, die gerade in Zeiten schrumpfender öffentlicher Ressourcen offensiv genutzt werden müssen.
Leitlinie 6: Notwendigkeit einer strategischen Planung
Eine Stadtentwicklungspolitik bedarf einer strategischen Planung. Ein strategischer Plan unterscheidet sich grundlegend von Stadtentwicklungsplänen früherer Art. Und zwar inhaltlich wie hinsichtlich seiner Erstellung. Inhaltlich muss deutlich werden, welche Entwicklungen die maßgeblichen Akteure in einer Stadt für wünschenswert halten, und welche Entwicklungen unerwünscht sind. Deutlich werden muss auch, welche Räume Vorrang, Priorität haben, welche wirtschaftlichen, sozialen, ökologischen und kulturellen Leitziele vertreten werden, und mit welchen Leitprojekten oder -kampagnen diesen Zielen nahe getreten werden soll. Was Teilgebiete des strategischen Plans betrifft, so werden diese in der Regel Gegenstand eines Masterplanverfahrens. Ein Masterplan zeigt die strategischen Ziele in städtebaulicher Form.
Hinsichtlich des Verfahrens der Erstellung eines strategischen Konzepts ist es wichtig, dass nicht mehr die öffentliche Hand allein der Autor eines solchen Konzepts ist. In die Erstellung eines solchen Konzepts müssen viele Akteure einbezogen werden. Verschiedene Städte haben hier verschiedene Wege gewählt. Sundern hat sich für ein Charrette-Verfahren entschieden. Und dies mit außerordentlichem Erfolg. Denn auch in kleinen und mittleren Städten kann eine strategische Planung nur im Konsens und mit Einbezug aktiver Bürger erfolgreich sein. Eine Charrette dient dem Aufbau einer langfristigen Partnerschaft von Politik, Verwaltung, Bürgern und Unternehmen. Insofern ist eine Charrette nicht der Endpunkt eines Prozesses, sondern nur ein zwischenzeitlicher Höhepunkt. Der Prozess selbst muss fortgeführt werden.
3. Bewertung der Ergebnisse der Charrette in Sundern
Sundern hat mit der Sanierung des Zentrums in der Vergangenheit und mit einem vorbildlichen Verfahren heute, dem Charretteverfahren, die politischen Weichen in Richtung Revitalisierung des Zentrums gestellt. Das Charrette-Verfahren verbindet die Initiative in der Stadt mit der Initiative der Stadt, der Politik und Stadtverwaltung. Im Rahmen der Charrette wurde ein Projekt erarbeitet: der Masterplan zur Attraktivierung des Zentrums. Dieses Projekt möchte ich im Folgenden einer Bewertung unterziehen. Grundlage dieser Bewertung ist ein Ranking-System, das wir in den letzten Jahren zusammen mit Praktikern des Council for European Urbanism und Studenten an der TU Berlin erarbeitet haben.
Was ist ein Ranking-System? Ein System der Bewertung, ein Testverfahren. Notwendig ist eine Messlatte, mit der Projekte gemessen werden können. Zur Bewertung städtebaulicher Projekte bedarf es zuallererst eines Verständnisses darüber, was denn ein „guter“, zukunftsfähiger Städtebau sei. Ich habe mit den Leitlinien einer erfolgreichen Stadtentwicklungspolitik auf den Bewertungshintergrund bereits hingewiesen.
Die Ranking-Kriterien werden als positive Ziellatte formuliert. Insgesamt gibt es zehn Kriterien mit jeweils 10 maximalen Punkten (von 0 bis 10). Maximale Punktzahl ist damit 100. Es werden Punktegruppen gebildet: 0-33 = schlechter Städtebau, 34-66 = durchschnittlicher Städtebau, 67-100 = guter Städtebau. Herausgehoben ist Best Practice, Voraussetzung: keine Einzelpunktwertung unter 7 Punkten und insgesamt 84-100 Punkte.
Gegenstand des Rankings in Sundern ist das geplante Projekt – der Masterplan. Das ist wichtig, es geht hier um ein geplantes Projekt, nicht um ein realisiertes Projekt. Das Ranking eines geplanten Projektes dient vor allem dazu, zu klären, welche Aspekte gut und welche weniger gut berücksichtigt worden sind.
Im Folgenden werden alle zehn Kriterien vorgestellt, auf die Charrette bezogen und diese dann mit einer Punktewertung versehen.
1. Robuste städtebauliche Form: langlebige, abwechslungsreiche, traditionelle Stadtraumbildung; klare Trennung von privatem und öffentlichem Raum; Kleinteiligkeit; Vorder- und Rückseite von Gebäuden; Berücksichtigung der Topographie und lokalen Eigenheiten, Beitrag zur Schaffung eines besonderen Ortes
Dieses erste Kriterium wurde in Sundern sehr überzeugend gemeistert. Ziel ist die Stärkung und Weiterentwicklung der überkommenen städtebaulichen Form. Das zeigt sich an der Gestaltung der Eingangsbereiche des Zentrums, an der geplanten Vernetzung des historischen Zentrums mit dem Rathausbereich, aber auch an der Verknüpfung von Fluss und Hauptstraße, vor allem am Levi-Klein-Platz. Vorgeschlagen wird darüber hinaus eine faktische Erweiterung des Zentrums bis zum Bahnhofsbereich und dem Schulte-Ufer-Areal.
Bewertung der Ergebnisse der Charrette in Sundern: 10 Punkte
2. Respektvoller Umgang mit historischen Zeugnissen: Stadtgrundriss; öffentlicher Raum; Parzellen; Gebäude, Integration lokaler Besonderheiten
Der Masterplan zielt auf die Sicherung und partielle Wiederherstellung des historischen Stadtgrundrisses, er fördert die Wiederentdeckung von historisch bedeutsamen Spuren der Stadtgeschichte, etwa im Bereich der historischen Furt, er fördert die Stärkung der historischen Zusammenhänge von Parzellenstruktur, Gewässerbereichen und öffentlichen Räumen. Vorgesehen sind vor allem kleine Maßnahmen, geschickt integrierte Akupunkturen, die die gewünschte Richtung der städtebaulichen Entwicklung verdeutlichen.
Bewertung der Ergebnisse der Charrette in Sundern: 10 Punkte
3. Hohe bauliche Dichte: kompakte Siedlungsform - abhängig von der Lage im Stadtraum und eingepasst in den landschaftlichen Raum
Der Masterplan plädiert für eine etwas größere bauliche Dichte im Zentrum durch behutsame Nachverdichtung. Das betrifft auch Standorte, die durch Grünzüge entlang der Gewässer aufgewertet werden sollen.
Bewertung der Ergebnisse der Charrette in Sundern: 9 Punkte
4. Hohe Nutzungsvielfalt in baulicher Vielfalt - abhängig von der Lage im Stadtraum und dem regionalen Kontext
Der Masterplan zielt auf eine Verstärkung der Nutzungsvielfalt im Zentrum durch die Stimulierung neuer Angebote. Vor allem sollen Angebote für einen größeren regionalen Einzugsbereich geschaffen werden, etwa für Touristen vom Sorpesee etc. Dieses wichtige Thema kann zweifellos noch weiter vertieft werden.
Bewertung der Ergebnisse der Charrette in Sundern: 8 Punkte
5. Hohe sozialkulturelle Vielfalt: Berücksichtigung des demografischen Wandels, Offenheit für unterschiedliche ethnische, kulturelle und Altersgruppen auf Grundlage baulicher Vielfalt, insbesondere im Wohnungsbau
Ziel ist die sehr wünschenswerte Integration von neuen Angeboten für Jugendliche und für Senioren. Vorgeschlagen wird eine Anbindung des Seniorenheims an das historische Zentrum. Etwas offen bleiben mögliche Angebote im Zentrum speziell für verschiedene ethnische Gruppen.
Bewertung der Ergebnisse der Charrette in Sundern: 7 Punkte
6. Vielfalt und Qualität des öffentlichen Raums: funktional wie emotional ansprechende Gestaltung; Fußgängerfreundlichkeit; Sicherheit und Zugänglichkeit für alle sozialen Gruppen; räumlich-funktionale Vernetzung; Anbindung durch öffentlichen Nahverkehr; Senkung der Abhängigkeit vom Auto
Dieses Kriterium beschreibt einen Schwerpunkt des Masterplans. Neue qualitätvolle öffentliche Räume sollen geschaffen und räumlich vernetzt werden. Vorgeschlagen werden weiter neue Lösungen für eine deutliche Verbesserung der Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr, etwa durch Bushaltestellen, aber auch durch die Eisenbahn. All diese Maßnahmen dienen einer deutlichen Stärkung der Fußgängerfreundlichkeit des Zentrums.
Bewertung der Ergebnisse der Charrette in Sundern: 10 Punkte
7. Schonung der Ressourcen: Wiederverwendung vorhandener Siedlungsflächen und Gebäude durch Nutzung nicht mehr oder untergenutzter Flächen und Infrastrukturen statt Inanspruchnahme von Freiflächen; Umbau vor Abriss nutzbarer Bausubstanz; Energiebilanz zugunsten der Anwendung erneuerbarer Energien und der CO2-Reduzierung
Ein Ziel des Masterplans ist die Wiederverwendung brach fallender Flächen. Das zeigt sich besonders deutlich am Schulte-Ufer-Areal. Durch eine effektivere Optimierung des Parkplatzangebotes können Flächen für soziale und ökologische Nutzungen gewonnen werden. Die Aufwertung der Gewässerräume dienen nicht nur einer höheren Aufenthaltsqualität, sondern auch der Erhöhung der Artenvielfalt. Grundsätzlich soll vorhandene Bausubstanz erhalten und für neue Nutzungen umgebaut werden. Das gilt insbesondere für Industrie- und Gewerbebauten. Ebenfalls vorgesehen ist die Nutzung erneuerbarer Energien.
Bewertung der Ergebnisse der Charrette in Sundern: 9 Punkte
8. Primat des Städtebaus gegenüber der Architektur: Einordnung der Architektur in den städtebaulichen Kontext; Architektur mit Blick auf die Stärkung des Quartiers und den Respekt vor der Nachbarschaft; Auseinandersetzung mit der lokalen Bautradition, Stärkung einer unverwechselbaren lokalen Atmosphäre; Flexibilität der Architektur hinsichtlich unterschiedlicher Nutzungen
Auch hier spricht der Masterplan eine eindeutige Sprache: Neue Architektur soll sich den vorhandenen und zu schaffenden Stadträumen und den lokalen Bautraditionen unterordnen. Neue architektonische Leitbauten wie etwa der Campanile sollen an stadträumlich sorgsam geprüften Standorten eingefügt werden. Geplant ist auch die Schaffung von einer besonderen architektonischen Atmosphäre insbesondere im Bereich des Areals Schulte-Ufer und an der Kornbrennerei.
Bewertung der Ergebnisse der Charrette in Sundern: 9 Punkte
9. Volks- und betriebswirtschaftliche Rentabilität: langfristig orientierter Einsatz privater und/bzw. öffentlicher Mittel; Sicherung wirtschaftlicher Tragfähigkeit auch ohne langfristige Subvention
Durch eine strikte Orientierung auf die Mobilisierung privaten Engagements im Städtebau versucht der Masterplan eine langfristige Subventionsabhängigkeit zu vermeiden. Die Neugestaltung der Verkehrskreuzungen senkt langfristig öffentlichen Aufwendungen. Insgesamt wurde aber die wirtschaftliche Tragfähigkeit der geplanten Maßnahmen noch nicht hinreichend vertieft.
Bewertung der Ergebnisse der Charrette in Sundern: 7 Punkte
10. Qualität des städtebaulichen Prozesses: strikte Einbeziehung der Öffentlichkeit, Wettbewerb, Charrettes/ Kooperative Verfahren,
Die Stadt Sundern hat sich für ein Charretteverfahren zur Klärung des Masterplans entschieden. Das Charrette-Verfahren wurde mustergültig durchgeführt und war von einem hohen Engagement der Bewohnerinnen und Bewohner, der Verwaltung, der Politik und der Fachinstanzen getragen, es hat zu einer neuen Qualität im Planungsverständnis der lokalen Akteure und zu einer bundesweiten Aufmerksamkeit geführt. Es hat die Planung beschleunigt und Reibungskosten vermindert. Dieses Verfahren ist sicher ein herausragendes Element der Stadtentwicklungspolitik von Sundern.
Bewertung der Ergebnisse der Charrette in Sundern: 10 Punkte
Die Einzelbewertungen der 10 Kriterien ergeben eine Gesamtwertung für die Erebnisse der Charrette Sundern 2007/08 von 89 Punkten. Das heißt, dass die Ergebnisse in die Kategorie: „Best Practice“ fallen.
Sundern kann auf seine stadtentwicklungspolitischen Leistungen stolz sein. Aber wie jede Stadt darf sich auch Sundern nicht auf den Lorbeeren ausruhen. Bisher ist ein Masterplan erstellt, das ist eine gewaltige Leistung, noch aber muss dieser Masterplan umgesetzt werden. Dafür müssen weitere Partner mobilisiert werden – auch die Landesregierung. Kurzfristig bieten sich folgende Zeitperspektiven an: Noch in diesem Jahre sollte, wie vorgeschlagen, ein Stadtforum eingerichtet werden, das die Umsetzung des Masterplans öffentlich begleitet. Zum Stadtjubiläum 2010 sollten einige erste Demonstrativmaßnahmen sichtbar sein. Und zur Stadtregionale sollten – neben ersten Schlüsselprojekten im historischen Zentrum selbst – auch die Verbesserung der stadtregionalen Verknüpfung des historischen Zentrums vorgestellt werden.
Der Aufbruch hat mit einem großen Paukenschlag, der Charrette, erfolgreich begonnen. Dazu gratuliere ich der Stadt Sundern. Und ich wünsche der Stadt viel Erfolg für die weiteren nötigen Schritte.